Was Cancel Culture mit der Kunst macht
In Zusammenarbeit des Thomasmessen-Teams unter der Moderation von Irene Sandriesser und Maria Schmidt-Leitner, dem KlaCapella Chor der Katholischen HochschulGemeinde sowie des Unipfarrers Hans-Peter Premur als Zelebranten und der Referentin Gerda Madl-Kren wurde die vorletzte Thomasmesse in diesem Semester (SOSE 2024) in der Don-Bosco-Kirche Klagenfurt gestaltet.
Die Thematik wurde eingangs von Irene Sandriesser mit Gedanken zu Pharao Echnaton eröffnet, den die alten Ägypter im Sinne des Damnatio memoriae aus der Geschichte tilgen wollten. Philosophischen Eröffnungsfragen stellte sich Gisela Baumann im Garderobengebet ausgerichtet auf „Was ist der Mensch? Wer ist der Mensch?“. Hans-Peter Premur hob den stattfindenden Dreifaltigkeitssonntag hervor, der überdies seit jeher mit Symboliken verschiedenster Ursprünge und künstlerischer Freiheit dargestellt wird. Diese bereits divers aufgestellten Eröffnungen der Thomasmesse zeigen erste Einblicke zu den unterschiedlichsten Zugängen der Kunst und deren Betrachtungen/Wahrnehmungen.
Die Künstlerin, Kunsthistorikerin und Theologin Gerda Madl-Kren spannte den thematischen Bogen der „Cancel Culture“ ausgehend von ihrer Ansprache auf der Kanzel stehend und dessen mögliche begriffliche Verknüpfung – Kanzel – cancel.
Sie regte die Besucher*innen bereits zu Beginn in ihrem kritischen Denken mit den herausfordernden Worten „Gute Kunst von bösen Menschen“ an. (Gute) Kunst vor allem aber von Künstler*innen, bei denen wir gesellschaftlich einverstanden sind: Das ist große Kunst! Die bewegt uns! Ein Kunstwerk begleitet uns ein ganzes Leben – und plötzlich wird öffentlich, diejenigen, die diese Kunstwerke geschaffen haben, haben etwas Schlechtes, Unmoralisches getan, Verbrechen begangen, was passiert dann mit uns? Was macht das mit uns, wie viel Moral verträgt die Kunst?
Zwei Pole wurden im Vortrag aufgetan: Die Taten und die Kunst kann man nicht von der Person trennen und haben direkten Einfluss darauf, wie wir die Kunst bewerten. Die andere Seite sagt, es gibt keinen Unterschied ob der/die Künstler*in des Werkes ein „guter Mensch“ war oder nicht. „Nicht alle ‚bösen‘ Menschen machen gute Kunst und nicht alle ‚guten‘ Menschen machen gute Kunst.“, so Madl-Kren. Genannte Persönlichkeiten in diesem Sinne waren exemplarisch: Woody Allen, Harvey Weinstein, Michael Jackson, Rembrandt, Picasso, Richard Wagner, Benvenuto Cellini (der sogar vom Papst geschützt wurde, aufgrund seiner großen Werke) u.a.
Zum Abschluss offenbarte Madl-Kren ihren Standpunkt als Künstlerin dahingehend, dass sie Kunstwerke als Kinder und Künstler*innen als Eltern/Erschaffende darstellte. Sie regte das Publikum zum Nachdenken an mit den Fragen: „Ist ein unschuldiges Kind verdorben, wenn die Eltern etwas Böses getan haben? Kann ein Kunstwerk etwas dafür, wenn sein*e Schöpfer*in ein Verbrechen begangen hat?“
Zudem ist Kunst eine Frage der Macht: Welche*r Künstler*in hat Gönner, Positionen, die einen trotz schlechten Verhaltens verehren? Das Zusammenspiel der Übertragung ausgelöster Emotionen durch Kunst auf den/die Künstler*in wird nach dem Öffentlich werden eines unmoralischen Lebens oft zur „enttäuschten Liebe“. Vielleicht bringt man es fertig, Kunstwerk und Künstler*in zu trennen. Am Ende bleibt jedoch keine Lösung, sondern subjektive individuelle Betrachtung, was auch in der angeregten Diskussionsrunde deutlich wurde und die Besucher*innen über die Messe hinaus im Gespräch anregte.
Besonders hervorgehoben sollte neben der umfangreichen thematischen Gestaltung auch die musikalische: Der KlaCapella Chor der Katholischen HochschulGemeinde mit ca. 25 Singfreudigen unter der geübten Leitung von Anna Junker überzeugte mit seinen Gesängen und Rhythmen und sorgte für eine aufgelockerte, heitere Stimmung. Mit Zugaben wurden die Besucher*innen in den Sonntagabend geleitet.