Am Freitag, dem 30. April 2021 fand der Gesprächsabend „Neue Weltordnung“ unter der Moderation von Bischofsvikar und Universitätspfarrer Mag. Hans Peter Premur statt, bei dem die Referent*innen Univ.-Prof. i.R. Dr. Werner Wintersteiner (Gründer des „Zentrums für Friedensforschung und Friedensbildung“ an der Universität Klagenfurt), Mag. Christian Salmhofer (Regionalstellenleiter Klimabündnis Kärnten), Univ.-Prof.in Dr.in Caroline Schmitt (Professorin für Migrations- und Inklusionsforschung an der Universität Klagenfurt) und Mag.a Carla Küffner (Professorin für Disability and Diversity Studies an der FH Kärnten) zu Wort kamen. Nach den Impulsvorträgen folgte eine Diskussion der Teilnehmer*innen.
Beim Gesprächsabend ging es um die Zukunft unserer Welt und wie wir diese Welt so bewohnen und gestalten können, dass Inklusion gelingt sowie Nachhaltigkeit und Solidarität keine Fremdwörter mehr sind. Wie das möglich ist, haben aus völlig unterschiedlicher Perspektive der chinesische Philosoph Zhao Tingyang und Papst Franziskus versucht aufzuzeigen. Zhao will eine Inklusion aller unter einem Himmel, wo die Welt als Subjekt gesehen wird und jede Veränderung allen zugutekommt. Der Papst hat in seinen zwei Enzykliken Laudato Si und Fratelli Tutti ebenso die Welt als Haus, in dem wir leben und als Subjekt im Sinn beschrieben und er plädiert für mehr Geschwisterlichkeit mit ihr und ihren Bewohnern sowie für universelle Solidarität.
„Die Welt neu denken lernen“
Univ.-Prof. i.R. Dr. Werner Wintersteiner
In Werner Wintersteiners Buch „Die Welt neu denken lernen“ werden Themen, wie die COVID-19 Pandemie, die Klimakrise und die Kritik an der Ausbeutung von Mensch und Natur aufgegriffen. Eine Umdeutung wird nötig, da die Folgen der Ausbeutung der Erde nicht mehr abzuwenden sind und zeitnahes verantwortungsvolles Handeln vonnöten ist. Das Bewusstsein für die Erde ist durch die Bedrohung der Erde gestiegen. Herr Wintersteiner plädiert für eine planetare Politik, nach dem Vorbild des französischen Philosophen Edgar Morin, der vom Heimatland Erde spricht. Globales Denken soll in den Vordergrund rücken. Wir müssen Verantwortung für unser Handeln und für unsere Erde übernehmen und können Frieden nur erreichen, wenn wir Frieden mit der Natur und auch mit anderen Menschen schließen. Der Begriff Konvivialismus, der von dem österreichischen Philosophen Ivan Illich geprägt wurde, spielt eine zentrale Rolle bei der Organisation eines guten Lebens und bedeutet so viel wie Zusammenleben. Auswege aus diesen Krisen werden oftmals trivialisiert und müssen daher fundamentalistisch überdacht werden. Dabei müssen wir unser Selbstverständnis als Mensch in Frage stellen, das Prinzip der Verantwortung muss gesellschaftlich und persönlich in den Mittelpunkt gestellt werden, die Idee vom Heimatland Erde muss propagiert werden. Eine Metamorphose muss in Bereichen wie Ökologie, Wirtschaft, Philosophie, Kultur und Politik stattfinden. Nur das Vereinen aller Lösungsansätze kann zu einer Veränderung aus dem Dilemma heraus führen. Dafür sollte vor allem die westliche Bevölkerung ihre privilegierte Stellung in Frage stellen.
Der Mensch bedroht seine eigene Lebensgrundlage
Mag. Christian Salmhofer
Die Untersuchung der Erde begann bereits 1957 als Zusammenschluss von 64 Staaten zum Geophysikalischen Jahr. Die Antarktis wurde untersucht, die Hündin Leika ins Weltall geschickt, die Amerikaner maßen den CO2 Gehalt in der Atmosphäre und der Mensch wurde zum Mond geschickt. Christian Salmhofer beschreibt den Menschen als ersten Außerirdischen, da die Menschen die Welt als die Ersten von außen betrachten können. Erst durch diese Außenbetrachtung wird ersichtlich, warum Klimaschutz so wichtig ist. Die Klimakrise wird erst seit wenigen Jahren ernst genommen, jetzt, da die Folgen der jahrelangen Ausbeutung durch den Menschen offensichtlich sind. Der Blick von außen ermöglicht es zu sehen, wie Menschen in die Natur eingreifen und damit die eigene Lebensgrundlage zerstören. Wir müssen lernen, die Geschichte der Erde zu erzählen und die Menschen zum Umdenken zu bewegen, da die Klimakrise von vielen Menschen noch immer nicht ernst genommen wird. Die finanziellen Mittel, um die Folgen der Klimakrise einzudämmen, wären vorhanden. Aber statt dieses vorhandene Budget in die Zukunft und in die Gesundheit unserer Erde zu investieren, werden damit Kriege finanziert.
Globale Solidarität
Univ.-Prof.in Dr.in Caroline Schmitt
Kein Mensch auf dieser Welt kann illegal sein, da die Grenzen nur fiktive Konstrukte sind. Trotzdem sind die Bewegungsrechte auf dieser Erde oft nur einer privilegierten weißen Elite vorbehalten. Da kommt die Frage auf, wer darf sich in der Welt wohin bewegen und warum? Die Klassifizierung der Menschen wie zum Beispiel wirtschaftliche Migration sollte kritisch hinterfragt werden. Durch die COVID-19-Pandemie haben wir deutlich zu spüren bekommen, dass wir eine Welt und miteinander verbunden sind, denn auch das Coronavirus kennt und hält sich an keine Grenzen.
79,5 Millionen Menschen befanden sich Ende 2019 auf der Flucht, die meisten davon sind Binnenvertriebene und durch die Abschottungspolitik der Länder sinken die Asylantragszahlen, obwohl es nicht weniger Migrant*innen gibt.
Solidarität ist ein bedeutender Begriff, der sich immer weiter verkürzt, dabei gehört die Trennung in WIR und ANDERE aufgelöst. Der Philosoph Arto Laitinen differenziert zwischen vier verschiedenen Verwendungs- bzw. Aneignungskontexten von Solidarität. Solidarität als Klebstoff der unsere Gesellschaft zusammenhält, Solidarität als wohlfahrtsstaatliches Prinzip (z.B. Krankenversicherung), Solidarität als Forderung in gesellschaftlichen Kämpfen für mehr Gerechtigkeit und Solidarität als ethisches sowie moralisches Ziel in unserem Umgang miteinander. Wir müssen anfangen, global und nicht national zu denken. Ein gutes Beispiel dafür sind die Wochenenden für Moria am Neuen Platz in Klagenfurt.
Wie wollen wir leben?
Mag.a Carla Küffner
Auch Mag.a Carla Küffner ist der Ansicht, dass wir uns die Frage „Wie wollen wir leben?“ stellen müssen. Migration ist eigentlich eine Utopie, da kein Mensch wirklich illegal ist. Er kann lediglich illegalisiert werden. Bewegungsfreiheit bedeutet, das eigene Land verlassen zu dürfen und einen Platz zum Ankommen zu haben. Bewegungsfreiheit sollte unabhängig von Landesgrenzen sein. Auch das Konzept von Nationalstaaten ist eine Utopie, da die Frage nach der individuellen Herkunft nicht von Bedeutung ist, da wir alle vom Planet Erde stammen. Stattdessen sollten wir zusammenarbeiten und uns gegenseitig Hilfestellung leisten. Ein solches Prinzip kommt beispielsweise bereits in „solidarischen Städten“ zum Einsatz. Konzepte wie die Citycard ermöglichen allen Menschen, auch jenen ohne Krankenversicherung, Gesundheitsleistungen in Anspruch zu nehmen. So müssen auch illegal eingereiste Menschen keine Angst vor einer Abschiebung haben, wenn sie ärztliche Leistungen in Anspruch nehmen. Als weitere Beispiele für solche Konzepte nennt Mag.a Carla Küffner die „Repair Kaffees“ und die Wochenenden für Moria, bei denen Menschen sich für andere Menschen einsetzen.
Frieden statt Krieg – Diskurs über die Auflösung von Grenzen und den Einsatz von Sprache und finanziellen Mitteln
In der abschließenden Diskussion wurden Themen wie Teilhabe und das Abgeben von Privilegien behandelt. Außerdem wurde kritisiert, dass viel mehr Geld in militärische Gewalt als in ökologische Projekte investiert wird. Auch die Sprache spielt eine Rolle bei der Auflösung von Grenzen. Ein politisch korrekter Sprachgebrauch ist wichtig und vermittelt Respekt und Akzeptanz. Abschließend müssen neue Themen in den Fokus gerückt werden. Krieg war das Thema der patriarchalischen Fortschrittswelt. Mag. Hans-Peter Premur zufolge sollte Frieden das neue Thema sein. Er beendete den Gesprächsabend mit zwei Zitaten aus „Fratelli Tutti“: Es ist uns klar geworden, „dass der Markt nicht all unsere Probleme lösen wird“ und dass „Frieden ein proaktiver Prozess bleibt, der nie zu Ende ist und der auch den Frieden unter den Religionen meint.“
Resümee
Kein Mensch wird illegal geboren, doch die fiktiven Grenzlinien der Nationalstaaten und ihre Politik illegalisieren Menschen. Dadurch wird die transnationale Bewegungsfreiheit der nicht privilegierten Menschen stark eingeschränkt. Diese fiktiven Grenzen müssen aufgelöst werden und es muss Menschen unabhängig ihrer Nationalität möglich sein, sich frei zu bewegen. Das nationale Denken bringt uns nicht weiter und muss aufhören, um den Weg für ein globales Denken und eine globale Politik frei zu machen. Diese globale Politik sollte es nicht nur Menschen erlauben, sich frei zu bewegen, sondern auch im Sinne unserer Erde Maßnahmen treffen, die den Planeten Erde nachhaltig und langfristig schützen. Unser Heimatland ist die Erde, sie hält uns am Leben und nur gemeinsam können wir unseren Lebensraum schützen.