von Anna-Maria Kapeller, in der gekürzter Fassung
„Durch einen Anfang hat Gott Himmel und Erde geschaffen…Da sprach Gott: »Licht werde«, und Licht wurde. Gott sah das Licht: Ja, es war gut…..“ (Genesis 1,1-31)
Eine bemerkenswerte, unglaubliche Wirklichkeit hat Gott ins Leben gesprochen.
Gott spricht und es entsteht der Kosmos – diese Idee, dieser Gedanke hat mich schon immer fasziniert. Vielleicht haben die Menschen, die diesen Text im 6 Jahrhundert vor Christus entfaltet haben, vom Zusammenhang von Sprache und Wirklichkeit gewusst. „Sprache schafft Wirklichkeit“ – so hat es der große Sprachphilosoph Ludwig Wittgenstein formuliert.
In die schreckliche Wirklichkeit des babylonischen Exils – einer Zeit voll Unterdrückung und Gewalt – ist dieses Schöpfungsgedicht für die Menschen NOTwendig. Die sieben Strophen erzählen vom guten Anfang – Gott hat diese Welt geschaffen und sie ist grundsätzlich gut. Anfang gut – bedeutet Ende gut. Die Erinnerung an den guten Anfang, soll die Hoffnung wecken, an ein gutes weitergehen der Geschichte zu glauben. Gott hat diese Welt so genial erschaffen, er führt sie auch zu einem guten Ende – davon sind die VerfasserInnen von Genesis 1,1-31 überzeugt.
Die Bibelstelle haben wir in der Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache gehört – aber was bedeutet GERECHTE Sprache? Sprache selbst ist weder gerecht noch ungerecht, aber es ist nicht egal, welche Wörter wir gebrauchen – WAS wir sagen und WIE wir es sagen – Der Ton macht die Musik. Sprache beschreibt nicht nur die Wirklichkeit, sondern formt sie auch. Durch unser Reden können wir beschönigen, beschwichtigen, trösten, aber auch aufregen, aufwiegeln, kränken, verletzen, Gewalt und Unrecht ausüben. Vieles wird sichtbar, durch direktes ansprechen oder verdeckt, durch verschweigen. Unsere Wirklichkeit kommt in der Sprache zum Ausdruck – unsere Einstellung, unsere Werthaltung, unser Denken und Fühlen wird in unserem Sprechen sichtbar.
Welche Wirklichkeit zeigt sich nun in unserer Sprache? Und wenn wir die Bibel als Gotteswort im Menschenwort verstehen – so verrät uns diese Bibelstelle auch, was Mainstream war im 6. Jahrhundert vor Christus.
„Die Erde brachte Grün hervor, Gewächse…Bäume…“ – Wir konsumieren und zerstören die Natur – sehen sie als Wirtschaftsfaktor. Die Ressourcen der Erde werden brutalst geplündert; Trinkwasser privatisiert und damit den Gesetzen des Marktes unterworfen; Pflanzen und Tierarten gedankenlos ausgerottet; die Umwelt rücksichtslos verschmutzt; das Klima verändert sich, die Erderwärmung schreitet voran. Aber es geht ja um Gewinnmaximierung für den schrankenlosen Konsum – denn Geiz ist geil.
„Lebende Wesen“ bringt die Erde hervor – wir sprechen über Tiere als Produkte mit Marktwert, Umsatzfaktoren, die Gewinn zu bringen haben – das es lebende Wesen sind spielt dabei keine Rolle, sie sind dem Gesetz nach eine Sache, Objekte und viele fristen ihr Dasein in Tierfarbiken ohne jemals Sonnenstrahlen zu spüren, oder Gras zu schnuppern – gequält vom Beginn ihres Lebens bis zum grausigen Ende. Effizienz in der Haltung ist oberstes Gebot.
Dabei wurden „die Tiere der Erde“ am gleichen Tag geschaffen und aus dem gleichen Material gemacht – wie „adamah“ – die Erdlinge, die aus der Erde geformten Menschen
„Niederzwingen und unterwerfen“ – diese Worte gesprochen in einer Zeit, in der die Natur als ausschließlich übermächtig und feindlich erlebt wurde, hat ihre Ausbeutung begünstig – und heute muss die Natur vor dem Menschen beschützt werden.
„Da erschuf Gott Adam, die Menschen als göttliches Bild, als Bild Gottes, männlich und weiblich“ – Was bedeutet es, dass unser christliches Gottesbild keine einzige weibliche Gottesanrede, keinen weiblichen Gottesnamen kennt? Wenn in unser Gottesvorstellung das Frausein nicht vorkommt? Gott aber offensichtlich beides ist männlich und weiblich?
Was bedeutet es, wenn es für viele Begriffe nur männliche Formulierungen und Endungen gibt? Frauen mitgemeint aber nicht direkt angesprochen werden? – Wie hörbar, oder wichtig sind in unserer Kirche, in unserer Gesellschaft frauenspezifische Anliegen und Frauenrechte? Warum verdienen Frauen noch immer weniger als Männer, warum braucht es Quoten? Wer leistet die unbezahlte Haus und Care Arbeit?
Wie sprechen wir über Minderheiten, über Flüchtlinge, über Arbeitslose, über Menschen, die von Armut betroffen sind? Wo doch Gott alle Menschen als sein Abbild geschaffen hat – mit gleicher Würde ausgestattet – gleichwertig – es gibt keine Wertung, von besser, schlechter, wichtiger…..
Sprache ist ein mächtiges Instrument, sie transportiert Ideologien und Werthaltungen und beeinflusst tagtäglich, wie wir denken und handeln, was wir wahrnehmen und woran wir uns erinnern.
Es sind die Hasspostings aus den Untiefen des Internets die diskriminieren und entwerten! Doch ebenso bedienen sich manche Politiker und Medien einer abwertenden Sprache und normalisieren damit – bewusst oder unbewusst – rassistische Sprachmotive. Es werden Begriffe und Metaphern verwendet, die den Blick auf das Wesentliche verstellen, Realitäten anders darstellen oder schlicht falsch sind. Worte bedingen oft Handlungen – sprachliche Gewalt ebnet den Weg für physische Gewalt.
Papst Franziskus spricht in der Enzyklika Laudato si‘ von seiner großen Sorge, was unserem gemeinsamen Haus, der Erde wiederfährt. „Unsere Schwester Erde schreit auf, wegen des Schadens, den wir ihr zufügen. Wir vergessen, dass wir selber Erde sind – aus den Elementen des Planeten gebildet – Nichts von dieser Welt ist für uns gleichgültig. Wir sind nicht Gott! Die Erde ist uns gegeben worden, nicht um zu herrschen, sondern um zu bebauen und zu behüten“ – so der Papst – und er lädt zu einem Dialog über die Art und Weise wie wir die Zukunft unseres Planeten gestalten. „Wir brauchen ein Gespräch, das uns alle zusammenführt. Einen Dialog, der auf die Schonung der Natur, die Verteidigung der Armen und den Aufbau eines Netzes der gegenseitigen Achtung und der Geschwisterlichkeit ausgerichtet ist.“
„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“, meinte Wittgenstein – weiten wir diese Grenzen im positiven und bleiben wir wachsam in unserem Denken, Reden und Handeln. Ich schließe mit einem Gebet der großartigen Theologin Dorothee Sölle:
Schaffe in mir gott ein neues herz
das alte gehorcht der gewohnheit
………………………….
eine neue zunge gib mir
statt der von der angst geknebelten
eine neue sprache gib mir
statt der gewaltversuchten
die ich gut beherrsche
schaffe in mir gott ein neues herz
und gib mir einen neuen geist
daß ich dich loben kann
ohne zu lügen
mit tränen in den augen
wenns denn sein muss
aber ohne zu lügen