TEIL EINS
STADTPLANUNG
Die Stadtplanung plant die Stadt.
Plant die Stadtplanung die Stadt?
Planiert die Stadtplanung die Stadt?
Plant die Stadt die Stadtplanung?
Was macht die Stadt statt Planung?
Planen Sie die Stadt statt der Stadtplanung?
Die Stadtplanung bannt die Stadtplaner.
Und jeder Städter ist ein Stadtplaner.
Tausende Stadtplanungen liegen in den unteren Schubladen der Stadtplanung.
Schublade statt Planung.
Sie liegen dort, weil sie schlecht sind.
Nicht jede Stadtplanung ist gut.
Nicht jeder Stadtplaner ein Genie.
Die wenigstens – deswegen so viele Schubladen.
Die Stadtplanung selbst plant keine Stadt.
Sie verteidigt sie.
Weil sie gut ist, die Stadt.
Die Alte Stadt.
Die neue Stadt – an den Rändern der alten Stadt – ist nicht so gut.
Sie kann nicht wachsen.
Sie hat´s verlernt.
Sie wird nur – fett.
Sie weiss nicht wie das geht, das Wachsen.
Sie hat es verlernt.
Und die Stadtplaner auch – vor lauter verteidigen des Alten, Schönen.
Das neue – Schiache – ist auch geplant, aber nicht von Stadtplanern.
Statt Planern planen Manager.
Sie managen den Verkauf der Baumassen – früher Häuser.
Das Haus entsteht, damit es verkauft wird, nicht bewohnt.
Die Strasse wird gebaut, damit sie zum Verkaufsobjekt führt, nicht um auf ihr durch
die Stadt zu gehen.
Die Strasse ist die eigentliche Stadt. Sie und der Platz.
Sie sind das Dazwischen.
Das Heim der Städter.
Ihr Wohnzimmer.
Das Haus liegt an der Strasse nicht umgekehrt.
Die Stadt wächst an der Strasse und an ihr die Häuser.
Und wenn die Häuser Platz machen wollen, rücken sie ein wenig auseinander.
Sie verhalten sich zueinander.
Sie haben Haltung.
Wer das nicht checkt baut keine Stadt, sondern einen Haufen Material.

Und jeder baut Stadt.
Jeder, der wohnt.
Jeder, der einkäuft.
Jeder, der in die Kirche geht.
Jeder, der baut.
Jeder der ins Auto steigt und zum Supermarkt fährt zerstört die Stadt.
Jeder der sein Interesse vor das Gemeinsame stellt, zerstört die Stadt.
Jeder der sein Haus nicht als Teil, als Baustein der Stadt baut, zerstört sie.
Wir leben in der Stadt und wir sind Stadt.
Was soll da ein Stadtplaner ausrichten -gegen uns.
Jeder will eine andere Stadt.
Eine Fussgängerstadt.
Eine Radfahrerstadt.
Eine Autostadt.
Eine autofreie Stadt.
Eine grüne Stadt.
Eine alte Stadt.
Eine Altstadt.
Eine Einkaufsstadt.
Eine Wohnstadt.
Eine Kulturstadt.
Eine Bildungsstadt.
Eine Familienstadt.
Eine schöne Stadt.
Die Stadtplanung plant die Stadt nicht.
Sie hütet sie.
Der Bürgermeister plant die Stadt nicht – obwohl er möchte.
Aber er weiss nicht wie es geht.
Und wenn er es wüßte, würde die Stadt es ihm verwehren.
Die Stadt will sich selbst planen.
Will wachsen.
Nicht fett werden.
Gelingt ihr nicht.
Sitzt vor dem Fernseher und frißt Chips.
Ist leichter als Diät und Fitness.
Fährt aufs Dach der Cityarkaden anstatt zu Fuss am alten Platz.
Oder trocken in die Tiefgarage im Südpark, als im Regen am Benediktinermarkt.
Die Stadt ist faul.
Sie läßt sich gehen.
Anstatt selbst zu gehen.
Und ihre Faulheit wird sichtbar.
Im Speckgürtel.
Die Stadt – das sind wir.
Die Stadtplanung – sind wir.
Die häßlichen Neubauten – wollen wir.

Wenn wir es nicht wollten, könnten wir sie ja schön bauen – so wie die alte Stadt.
Tun wir nicht.
Tun wir nicht, weil wir es besser können.
Größer.
Wärmer.
Praktischer.
Billiger.
Mit Tiefgarage für heilige Kuh.
Ein fettes Haus.
Eine fette Stadt.
Ein fetter Städter.
Wir wollen es so.
Genau so.
Wir wollen nur trotzdem schön sein.
Schlanke Altstadtgassen.
Enge schattige lauschige Plätze.
Ohne Autos.
Lösung:
wir finden schön, was häßlich ist.
Dann sind wir wieder im Einklang mit unserem Sein.
Und alles ist gut.
Sogar die Stadtplanung.

TEIL ZWEI
ZEPTER
Nichts geht, weil jeder sein Zepter hält.
Aber gäbe es nur eines und ich wäre an der Reihe…….
Wissen
Das Messegelände.
Eingewachsen ins Fleisch der Innenstadt.
Das russische Luftlandebattaillon könnte in Winternächten ein Manöver abhalten
und Klagenfurt würde es nicht merken.
So groß. So leer.
So auf der Hand liegend wertvoll.
So ungenutzt.
So verbissen gehalten.
Als gäbe es Fehler, die zu groß sind, sie zu sehen, oder zu nah.
Der Irrtum: ein großer Fehler, kann nicht mit einem kleinen Pflaster geheilt werden.
Aber mit Stadtplanung.
Mit Weichenstellung.
Mit Erkenntnis des Fehlers und mit Willen, ihn zu beseitigen – wie lange es auch
dauern möge.
Es wird jedenfalls immer kürzer sein, als ihn nicht zu beseitigen.
Also tät ich es wegfegen, das Messegelände, mit meinem Zepter.
In Richtung Flughafen.
Dort fühlte es sich wohl, es hätte Platz, es hätte Lebensadern zum wachsen, es
hätte gleichgesinnte Nachbarn um sich.
Im freigewordenen Vakuum saugt sich die Stadt – ohne mein Zutun – Wissen ein.
Die verstreuten Universitäten und Fachhochschulen sammeln sich auf einem
Campus. Die Studenten kommen vom Bahnhof oder sonst woher und beleben den
Süden der Innenstadt, wo einst das Messegelände dahinvegitierte. Sie pilgern
durch die tote Bahnhofstrasse Richtung Altstadt und wenn sie besoffen zurück
torkeln hat die Bahnhofstrasse schon wieder angefangen zu atmen. Sie schnappt
junge Stadtluft. Anfangs röchelnd, dann zuckend dann pulsierend.
Auch die FH Studenten freuen sich Stadtluft zu schmecken und nicht mehr die der
Kläranlage – in deren Nähe man ihre Lehrstätte setzte.
Die Studenten der Uni Klagenfurt würden erstmals die Stadt kennen lernen, nach
der ihre Universität benannt ist.
Und der Ort, den sie verlassen?

Arbeiten
-Kurz Ausholen…
Kärnten.
Land ohne Ressourcen.
Ohne Öl.
Ohne Industrie.
Ohne Viel.
Nur mit Wenig.
Aber davon viel!
Wenig Verkehr.
Wenig Lärm.
Wenig Stress.
Wenig wichtig.
Wenig Abstand zwischen dem vielen Schön.
Berg – Tal – See.
Wenig als Ressource?
Als Ort für Arbeit im Schön, mit viel Wenig.
Ruhe zum Denken.
Kontemplation.
Konzentration.
Ein guter Platz zum Denken.
Entwickeln.
Lakeside.
Software.
Die junge Generation, die für sich junge Dinge entwickelt.
Und dann in den See springt – nach der Idee.
Das geht in das Gebäude, das vorher Universität war.
Silikon Lake.
Wenn´s geht ohne Silikon.

Leichtigkeit
Noch einmal kurz Ausholen, aber kürzer.
Klagenfurt.
Die Erkenntnis der Eigenschaft.
Passiert in der Idee eines Stadtvaters, der die Stadt umtaufte.
Klagenfurt am Wörthersee.
Ja und – war immer schon.
War nicht!
Ist nicht.
Noch nicht.
Da ist nur Klagenfurt und dort ist der See.
Die Erkenntnis der Eigenschaft ließe Entscheidungen leicht werden.
Wenn man in den Kern der Stadt das Wissen verortet,
so legt man das Leichte an den See.
Wohin sonst?
Ist schön hier.
Zu schön zum Hakeln.
Also schwingt das Zepter das Hallenbad an den See.
Ein Gast der Stadt würde es dort finden, ohne lange zu fragen.
Die Freizeit spielt sich am Ufer ab.
Das Hobby,
Der Sport.
Das Strandbad – eines der schönsten und größten von wo auch immer – wird noch
schöner und noch größer.
Ein Bad für den Sommer und eins für den Winter.
Die selben Kabinen
die selben Toiletten
die selben Parkplätze
das selbe Lokal
das selbe Portal.
Da hätte sogar die Eishalle Platz, die muß ohnehin der Uni weichen.

Kunst
In einer Stadt am See nicht leicht.
Kunst ist intellektuell.
Baden nicht.
Die Leichtigkeit des Seins hier entzieht der Kunst die Nahrung.
Kein Ernst!
Kein Ort.
Kein Viertel für Künstler, wie in Paris,
weil keine Künstler, nur Eishockeyspieler.
Vielleicht, weil im Zentrum eine Eishalle steht, aber kein Veranstaltungszentrum.
Der Kunst einen Ort geben.
Die Kunst sucht einen Ort.
Ein Archiv.
Und Werkstätten.
Und Lager.
Und Büros.
Und Flächen zum Ausstellen.
Das eine oder andere Geschäft.
Möglichkeit zu wachsen, bunter zu werden – ein Viertel – ein Künstlerviertel.
Das Viertel ist schon da.
Nur ist es tot.
Wie die Bahnhofstraße.
Eine alte Fabrik mit Häusern und Plätzen und Gassen. So groß wie die Innenstadt,
seit Jahrzehnten leer und unbenutzt.
Eine Lederfabrik.
Inmitten der Stadt.
Weiter innen, als der Fettgürtel mit seinen Wohnbauten und seinen Parkplätzen.
Das Zepter berührt die Fabrik und das Archiv für die Kunst wächst aus dem
Inneren der Hallen auf die Gassen und Plätze.

Gehen
Das Auto hat den Raum gestohlen.
Was als Raum zwischen Häusern gedacht war, wird nur noch als befahrbare
Fläche verstanden.
Oder Parkplatz.
Geschäftsleute verteidigen mit Zähnen und Klauen den Parkplatz vor der Tür.
Platz für das Auto, soviel, das zehn Menschen dort stehen könnten.
Der Platz für das Auto ist gar kein Platz.
Es ist nur freizuhaltende Fläche ohne jede Qualität.
Dafür mit Sicherheitskriterien überhäuft.
Dreckig und laut.
Aber kein Platz.
Ein Platz reicht von Haus zu Haus.
Häuser stehen am Platz.
Umringen ihn.
Bilden ihn.
Wenden sich ihm zu – nicht ab.
Also würd ich den Häusern und Menschen Platz geben und verbanne mit dem
Zepter die Autos von den Plätzen.
Vor den Geschäften wird gegangen.
Angemessene Geschwindigkeit.
Brause auch nicht mit dem Auto durch die City Arcaden.
Noch nie wurde eine Fußgängerzone rückgebaut.
Noch nie wurde dieser Wert wieder aufgegeben.
Aber immer vorher dagegen gekämpft.
Wenn sie da is, kann die Stadt wieder zurückkommen
mit ihrem Leben
– hält sie keiner auf…
Hält sie keiner auf.
Oder doch?
Wer hält die Stadt auf?
Wer hindert die Stadt daran ihre Fehler zu beheben?
Wer hat eigentlich das Zepter?
Sie?

Roland Winkler Juni 2016