Maria – eine von uns

Wortgottesdienst in Krumpendorf Sonntag 26. Mai 2019

Lesungstext – Magnifikat

Meine Seele preist die Unbegreiflichkeit Gottes
mein Geist singt und jubelt, denn ich weiß,
Gott ist unsere Rettung.

In den Augen der Menschen war ich eine minderwertige Frau,
doch von nun an preisen sie meine Größe von Generation zu Generation,
denn Großes durfte ich an der Allmacht vollbringen.
In meinem Leib wurde Gott lebendig, den Heiland habe ich zur Welt gebracht.

Erbarmen ergießt sich über alle Menschen,
über alle, die das sehen wollen und glauben.
In seiner Güte ist der Heiland mächtiger als alle Mächtigen.
Alle, die aus hochmütigem Herzen leben,
sind für das Reich Gottes verloren.

Die scheinbar Mächtigen stürzen von ihren Thronen,
die scheinbar Wertlosen werden geheiligt und heil
Die Hungernden werden satt, die Armen reich beschenkt,
die Reichen aber gehen leer aus.

Gott schützt und behütet ihre Kinder,
die Allmächtige vollendet unser Menschsein,
die Unbegreifliche bringt uns die Erlösung,
den Töchtern und Söhnen Saras und Abrahams.

Entnommen aus: Ich will dir neue Namen geben
Ein Frauenbrevier
Ute Elisabeth Mordhorst; Martina Jung;

Ansprache von Annamaria Kapeller

„Ich sehe dich in tausend Bildern, Maria lieblich ausgedrückt, doch keins von allen kann dich schildern, wie meine Seele dich erblickt“, so poetisch schreibt Novalis über Maria und hat recht. Die Vorstellungen, Meinungen, Aussagen über Maria sind so vielfältig – nicht nur in der Kirche und im Glauben, sondern auch in der Kunst, Malerei, Literatur, Musik.

Es scheint, als hätte jede Generation, jede Epoche ihre eigenen Vorstellungen zu Maria, als wären in Maria alle Hoffnungen, Sehnsüchte und Wünsche der ganzen Menschheit gepackt –   und es hat wohl jede/r von uns seinen persönlichen Zugang zu ihr.

Ich möchte Ihnen ein wenig von meiner Maria erzählen – und ich muss gleich gestehen, ich habe mir früher sehr schwer getan mit Maria. Maria war mir weit entfernt und sehr fremd. Sie schien mir so perfekt, immer wunderschön, sogar als Pieta – mild lächelnd und ruhig, nie zornig, oder enttäuscht, von jeder Sünde rein, auserwählt und erhaben. Sie erschien mir wie ein Gegenbild zu mir – bis ich meinen ganz persönlichen Zugang zu ihr durch das Magnificat gefunden habe. Wir haben als Lesungstext eine modernere Version dieser Bibelstelle aus dem Lukas Evangelium gehört. Ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist, diese Interpretation, spricht in künstlerischer Freiheit Gott weiblich an – und das ist ja auch theologisch nicht falsch. Denn wir Menschen sind Abbilder Gottes und als solche männlich und weiblich geschaffen – also muss wohl auch das Frausein in Gott da sein.

Meine Maria habe ich in der Bibel gefunden. Zuerst war ich verwundert, dass so wenig von ihr darin zu finden ist, sehr lückenhaft sind die biblischen Erzählungen. Am meisten erzählt das Lukas Evangelium: Verkündigung, Besuch bei Elisabeth, Geburt, Hirten, Beschneidung (Simeon, Hanna), der zwölfjährige Jesus im Tempel; Matthäus ergänzt um die Sterndeuter, die Flucht nach Ägypten; Johannes erzählt zusätzlich von der Hochzeit von Kana; und bei der Kreuzigung, steht Maria mit Johannes unter dem Kreuz. Durch die Apostelgeschichte wissen wir, dass Maria zu Pfingsten dabei war – es sind wirklich nur Spuren vorhanden, so vieles wird in der Bibel über Maria NICHT erzählt. 

Ein Versuch diese Lücken zu füllen und Antworten zu geben, geschah schon im 2. Jh. n. Ch. durch das „Evangelium des Jakobus“ – eine „ Apokryphe Schrift“, d.h. ein Evangelium, das nicht ins Neue Testament, nicht in den Kanon der Bibel aufgenommen wurde. Doch vieles, das wir von Maria zu wissen glauben, steht in dieser Schrift. Anna und Joahim werden darin als die Eltern vorgestellt, Marias Kindheit wird beschrieben, sie lernt lesen und schreiben und ist im Tempel aufgewachsen. Obwohl dieses Evangelium nicht in der Bibel zu finden ist, war es sehr prägend, denn die meisten kirchlichen Marienfeste und die Volksgläubigkeit sind daraus entstanden.

Doch nun zurück zu meiner Maria und dem Magnificat. Die Vorgeschichte erzählt das Lukas Evangelium: Der Engel Gabriel wird zu Maria geschickt, durch ihn erfährt sie von Gottes Plan, dass durch SIE Jesus, der Sohn Gottes Mensch werden soll. Maria willigt ein und sagt „JA – es geschehe durch mich, wie du gesagt hast.“

Schon schwanger besucht sie ihre Freundin Elisabeth, die ebenfalls schwanger ist und gemeinsam singen sie das Lied der Befreiung – das Magnificat und greifen damit einen Text auf, den schon viele Frauen vor ihnen gebetet haben. Dieser Inhalt hat Tradition im Judentum, es ist gesungener Glaube, die Gewissheit, dass Gott auf Seite dieser Frauen steht und nicht nur das:  Gott verhilft ihnen auch zu ihrem Recht. Dieser unbegreifliche Gott schaut auf Marias Erniedrigung –  Gott schaut nicht darüber hinweg – sondern sieht ganz genau hin, sieht das erlittene Unrecht und stellt sich auf die Seite der Erniedrigten und Unbedeuteten. Und dann geht es drunter und drüber!  Alle Wertigkeiten, wie wir sie kennen, werden durcheinandergewirbelt – was oben ist, fällt runter, Machtgier wird wirkungslos, scheinbar Wertloses wird kostbar.

Meine Maria ist eine Rebellin, sie tritt gegen Unterdrückung und Machtmissbrauch auf und weiß Gott auf ihrer Seite und das Magnifikat ist ein revolutionäres und für mich feministisches Lied, denn es ist ein Befreiungslied, das Gottes Gerechtigkeit besingt. Jetzt ist Maria mein Vorbild und meine Verbündete.

„Ich selber muss Maria sein und Gott aus mir gebären“, sagte Angelus Silesius, der deutsche Mystiker im 17. Jahrhundert.

Das klingt im ersten Moment sehr unverständlich und auch überfordernd. Was wird da verlangt? Was soll das heißen? Gott gebären? Ist das nicht Anmaßung! Das war doch wirklich Marias Aufgabe!

Aber Angelus Silesius hat recht, die Geschichte mit Jesus darf nicht abbrechen. Sie geht weiter und dazu braucht es immer wieder neu „Marien“, die ihn und seine Botschaft in die Welt bringen.

Maria hat das Wort Gottes in sich aufgenommen – unter ihrem Herzen getragen – und auch ausgesprochen. Die Liebe ist ihr Band der Verbindung zu Gott  und nährt die Kraft, dem Wort treu zu bleiben, die Kraft so zu denken, zu sprechen und zu handeln. Es braucht weiterhin immer wieder Menschen, die Gott in sich aufnehmen, die Gottes Gerechtigkeit besingen. Die mutig sagen: es geschehe durch mich –  durch mich kann das lebendige Wort Wirklichkeit werden. Durch mich kommt Gott in der Welt zur Sprache, meine Hände und mein Tun können ihn ein Stück weit sichtbar und spürbar machen.  Wie z. B. „Oscar Romero“, er war mit Sicherheit einer, der in seinem Leben sein „Mariensein“ gefunden hat – deshalb befindet sich wohl sein Bild in der Krumpendorfer Kirche neben Maria und der aufgeschlagenen Bibel mit dem Magnificat.

Und der Lohn dieses „Marienseins“ ist die Verheißung des Friedens, der geschenkt ist, den wir Menschen selbst nicht herstellen können. „Eine Friede nicht wie die Welt ihn gibt“, sondern ein Friede, der von Gott kommt und auf den wir vertrauensvoll zugehen.

Segen

Gott,
wir stehen vor dir:
Frauen und Männer, geschaffen als dein Ebenbild,
begabt und berufen, dich sichtbar zu machen.

Segne uns mit der wagemutigen Kraft der Hoffnungeine Welt zu gestalten nach deinem Willen und Auftrag

in der Gerechtigkeit Wirklichkeit ist,in der Verschiedenheit sein darf,
in der Leben in Fülle für alle Menschen möglich ist.

Dazu segnet uns
Gott, unser Vater und unsere Mutter,
Jesus, die Kraft unserer Hoffnung,und Ruach, die göttliche Weisheit in uns.

Doris Gabriel

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